Ana Mendieta: The Stuff of Myth

Ana Mendieta ist eine der wichtigsten Künstlerinnen aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie ist eine der zahllosen Frauen, die nicht in erster Linie durch ihre grandiose Arbeit bekannt wurden, sondern durch ihren gewaltsamen Tod. Ein kurzer Abriss zum Leben der kompromisslosen Künstlerin.

Ein Hinweis zum Einstieg: aus Urheberrechtsgründen muss dieser Beitrag weitgehend ohne Bilder auskommen. An den relevanten Stellen wurden entsprechende Links gesetzt.

Ana Mendieta wird am 18. November 1948 in Havanna in eine einigermaßen prominente Familie hineingeboren. 1961, im Alter von 13, werden sie und ihre Schwester, zusammen mit etwa 14.000 anderen kubanischen Kindern und Jugendlichen im Rahmen der »Operación Pedro Pan« in die USA geschickt.1

An der Iowa State University, einer der progressiveren Universitäten der USA, studiert sie Malerei und später Intermedialität bei Hans Breder. Sie setzt sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit den Riten indigener Völker auseinander, aber auch – und das sehr explizit – mit der Gewalt gegen Frauen.
Bei Hans Breder beginnt sie mit Fotografie und Film, vor allem im Super-8-Format, zu experimentieren. Sie wird beeinflusst von Vertreter*innen des Fluxus und des Wiener Aktionismus wie VALIE EXPORT oder Hermann Nitsch, arbeitet aber deutlich vielschichtiger. In ihrer Arbeit Verschmelzen Body-Art, Land-Art und Performance, aus denen durch Film und Fotografie jeweils ein ganz neues Werk wird.

Anas Kunst ist.. intensiv.

In ihrer Performance »Rape Scene« befasst sie sich 1973 mit der Gewalt gegen Frauen, kurz nachdem eine Studentin auf dem Campus der ISU vergewaltigt und ermordet wird.

›Untitled (Rape Scene)‹, 1973 auf der Seite der Tate Gallery

1978 kommt Ana nach New York, wo sie am 12. November den damals schon renommierten (aber eher zweitklassigen Bildhauer-Dude) Carl Andre kennenlernt. In den folgenden Jahren arbeitet Ana in Mexiko, New York, auf Kuba und in Rom, wohin sie ein Stipendium der American Academy bringt. In dieser Periode arbeitet sie, Andre im Schlepptau, an ihren Earth Works, beeinflusst auch von Pompeij und den Grabanlagen von Cerveteri.

Ihre Earth Works unterscheiden sich fundamental von der Arbeit anderer Land Art-Vertreter*innen, die die Natur auffallend oft zu unterwerfen versuchen. Ana dagegen arbeitet, beeinflusst von Naturreligionen Mittelamerikas, mit der Natur.

Ana und Andre heiraten am 17. Januar 1985 in Rom, und das, obwohl das Verhältnis der beiden von Beginn an immer irgendwie schwierig war. Der Rom-Aufenthalt dauert nach der Hochzeit noch einige Monate und die beiden kehren Ende August nach New York zurück. Sie beziehen ein Apartment im Greenwich Village.

Am 8. September 1985 stürzt Ana Mendieta aus einem Fenster im 34. Stock ihres Wohnhauses.
Sie ist sofort tot. Andre ruft die Emergency Services. Die Aufnahme wird in den folgenden Jahren berühmt. Er sagt:

My wife is an artist, and I’m an artist, and we had a quarrel about the fact that I was more, eh, exposed to the public than she was. And she went to the bedroom, and I went after her, and she went out the window.

Carl Andre während des Gesprächs mit einem Operator von 911.

Die genauen Umstände ihres Todes sind bis heute nicht geklärt. Andre wird festgenommen und wegen vorsätzlicher Tötung ohne Heimtücke (2nd degree murder) unter Anklage gestellt. Der Prozess dauert drei Jahre, am Ende wird Andre aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Vor dem Prozess sammelte Künstler und Dude-Bro Frank Stella 250.000$ für die Kaution, Claes Oldenburg hat Andre nach der Freilassung sein Loft überlassen. Dass ihr Kumpel Andre möglicherweise seine eigene Ehefrau umgebracht haben könnte, war für seine Avantgarde-Bros unerheblich. Die wahre Tragödie war für sie, dass Andres großartige Karriere Schrammen bekommen hatte. Carl Andre wird von der Kunstwelt bis heute unkritisch zelebriert, etwa mit einer Retrospektive im Hamburger Bahnhof 2016, auf der Art Düsseldorf 2019 oder in diesem Artikel des New Yorker aus dem Jahr 2011.

Gleichzeitig begleiten immer häufiger Proteste Andres Vernissagen. Zuletzt 2017 im LA Museum of Modern Art (die erste Station der Ausstellung, die später nach Berlin kam):

Image
Guerilla Girls. What Do These Men Have in Common? Poster, 1995.

Mehr Infos zu Werk und Leben Ana Mendietas gibt’s hier:

Aus dem Jahr 2009 gibt es eine sehenswerte Doku von Richard Move über Ana Mendieta: »BloodWork: The Ana Mendieta Story«. Den Trailer gibts hier:

BloodWork – The Ana Mendieta Story (Trailer)

  1. »Operación Pedro Pan« war eine zwischen 1960 und 1962 auf Kuba verdeckt durchgeführte Operation der US-Geheimdienste in Kooperation mit der katholischen Kirche, bei der Kinder und Jugendliche von ihren Eltern aus dem Land geschafft wurden.
    Im Vorfeld der Aktion waren von US-Behörden Gerüchte gestreut worden, nach denen die Regierung unter Fidel Castro plante, die Rechte von Eltern einzuschränken und die Kinder in staatlich kontrollierten Erziehungsanstalten unterzubringen. Die Gerüchte stellten sich im Nachhinein als völlig unbegründet heraus und wurden als Patria Potestad hoax bekannt.


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