Die kurze Geschichte einer kleinen Stadt (1281-1960)

Erstmals erwähnt wurde Selb als im Jahr 1281, als Friedrich Barbarossa die Orte Selb und Asch an einen Plauener Adeligen verpfändet hatte; beide Orte sind damit 2017 mehr als 736 Jahre alt. Das Stadtrecht erhielt Selb 1426; zu dieser Zeit war Selb das Verwaltungszentrum des Egerer Reichsforstes. Das ist doch was. Bis zum 18. Jahrhundert ist nicht besonders viel bekannt, außer dass das Areal mehrmals verkauft, zerstört und wieder aufgebaut wurde , was für die Zeit nichts wirklich Besonderes war. Die Einwohner arbeiteten hauptsächlich als Gerber, Schuster, Zimmerer und Weber, wobei die Weberei knapp die Hälfte aller Einwohner ernährte.

Der Große Brand

Am 18. März 1856 brannte die Stadt durch den Fehler einer ebenso glücklosen wie törichten Dienstmagd fast völlig nieder. Die Bauern und Weber wurden arbeits- und mittellos. Ihre neuen Häuser bauten die Bürger – wie so oft, wenn das Geld knapp ist und die Zeit drängt – auf die Grundmauern der Ruinen, weshalb die Stadt heute aussieht wie sie aussieht und ein eigentliches Stadtzentrum immer noch fehlt.

Lorenz Hutschenreuther, der Sohn eines handlungsreisenden Porzellanmalers, nutze die für ihn günstige Gelegenheit und errichtete 1857 die erste Porzellanfabrik in Selb. Arbeitskräfte gab es nach dem Brand genug und auch die Rohstoffe (vor allem Holz, bzw. Holzkohle) für die Brennöfen) waren in rauen Mengen verfügbar.

Mit der Gründung wurde Freund Lorenz ungeplant zum Trendsetter. Nach der Fertigstellung der Bahnlinie Hof-Eger wurden bis 1900 sechs Fabriken gegründet, bis 1923 weitere sechs:1

  • Zeidler (1866)
  • Rieber (1868-1921)
  • Rosenthal (1879 im Schloss des Ortsteils Erkersreuth, ab 1887 in Selb)
  • Krautheim (1884)
  • Müller (1889)
  • Heinrich (1898)
  • Jäger und Werner (1906)
  • Gräf & Krippner (1912)
  • Krautheim & Adelberg (1912/13)
  • Zeidler & Purucker (1919) G
  • ebr. Hoffmann (1920)
  • Oberfränkische Porzellanfabrik (1923)

Das bedeutet, zusammen gab es einundzwanzig verarbeitende Betriebe mit insgesamt mehr als einhundert Schornsteinen für die Rundöfen in der Stadt. Die Gegend um Selb war damit eine der am frühesten industrialisierten Regionen des Königreichs Bayern.

Diese ganzen neuen Fabriken brachten Arbeiter [vulgo: „Wirtschaftsmigranten“] aus Bayern, Böhmen, Sachsen und Thüringen nach Selb. Die Bevölkerungszahl stieg von 3.341 Einwohnern im Jahr 1871 2 3 auf über 17.000 im Jahr 1939 an. In der Nachkriegszeit wuchs die Stadt nochmals auf mehr als 24.000 um 1961.

Die Stadtoberen hatten in den Sechzigern angenommen, dass die Stadt weiter wachsen würde, also brauchte man einen Plan – da kam der Rosenthal mit dem Werk Rothbühl gerade recht: Wie Walter Gropius einmal in die bayerische Provinz zog, um die Welt dort zu verbessern  

Anmerkungen
  1. Hackl H, Arzberger D. Selb – Eine Stadtgeschichte Mit Bildern. Verlag Gisela Arzberger; 1994
  2. Handelsregister des Königreichs Bayern im Jahre 1871. Adress-Buch sämmtlicher in den Handelsregistern des Königreichs Bayern bis zum Ende des Jahres 1871 eingetragenen
    Einzeln-, Gesellschafts- und Genossenschafts-Firmen mit Angabe der Geschäfts-Inhaber und der zur Zeichnung der Firmen Berechtigten sowie der Geschäftszweige. Verlag Rudolph Oldenbourg, München 1871.
  3. Anm. 17.04.2017: Zunächst hatte ich für 1840 eine Einwohnerzahl von etwa 6.000 angegeben, was für diese Zeit recht viel wäre; J. Hoffmann hat in den Kommentaren eine Korrektur geliefert, vielen Dank dafür!

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